Ausgangssituation

Am Standort eines Unternehmens mit etwas über 5.000 Mitarbeitern an 8 Fertigungsstandorten werden hauptsächlich Einzelteile für eigene Produkte gefertigt. Der Standort arbeitet im 2-Schicht-Betrieb und nähert sich der Kapazitätsgrenze. Fertigungsaufträge werden streng kaufmännisch vergeben. Knapp 80% der Aufträge werden intern erfüllt, der Rest wird an externe Fertigungsunternehmen vergeben. Die Fertigungsausstattung und Arbeitsprozesse sind modern. Am Standort gibt es ausreichend Möglichkeiten zur Betriebserweiterung.

Fragestellung

Die Unternehmens- und Standortleitung stehen vor der Frage, ob es für die hohe Investition in den Ausbau von Räumlichkeiten und Betriebseinrichtungen oder die Erhöhung der Fremdvergabequote eine rentablere Alternative gibt. Die Erhöhung der Fremdvergabequote wäre eine flexible Lösung, geht jedoch zu Lasten der Marge. Die räumliche Erweiterung des Standorts wäre auf Dauer rentabler, belastet das Unternehmen jedoch mit einem hohen Investitionsaufwand und bietet bei Abkühlung der Konjunktur nur wenig Flexibilität.

Lösung

Die Ausweitung des 2-Schicht-Betriebs auf einen 3-Schicht-Betrieb oder sogar eine 24/7-Fertigung war in der Vergangenheit keine Option, weil die hohen Vergütungszuschläge für Nacht- und Wochenendarbeit keinen rentablen Betrieb erlaubt hätten. Mit Hilfe von Stangenladern, Linear- und Mehrachs-Robotern, Paletten-Regalen und Paletten-Karussells, Check-In und Check-Out-Bahnhöfen sowie einer modernen Paletten-Logistik lässt sich jedoch eine rentable 24/7-Fertigung umsetzen. Die Investition ist zwar ähnlich einer räumlichen Betriebserweiterung hoch, dafür kann allerdings die Fertigungskapazität am Standort fast verdoppelt werden. Der Anteil manueller Arbeit nimmt zusätzlich ab, so dass erfahrene und begehrte Fachkräfte den Bereich der Montage an einem nahegelegenen Standort verstärken können. Um neben der hochautomatisierte Fertigung auch die vorgelagerten Prozesse zu automatisieren und damit den notwendigen Input in Form von Bearbeitungsprogrammen zu gewährleisten, wird eine MES-Lösung eingeführt. Mit der Organisation von Ressourcen im MES-System und der engen Verzahnung mit der CAM-Programmierung wird zudem eine flexible Fertigungsauslastung ermöglicht.

Umsetzung

Nachdem sich die Betriebsleitung auf eine grobe Lösungsstrategie festgelegt hat, hat sich ein Projektteam des Unternehmens auf dem Markt nach Lösungsoptionen umgesehen. Neben bestehenden Geschäftspartnern wurden dabei weitere Anbieter von Teillösungen in die Auswahl einbezogen. Nach umfassender Information über die Lösungsoptionen hat sich das Unternehmen auf die Beauftragung eines Generalunternehmens festgelegt, das die Koordinierung der Teillösungen externer Projektpartner zur Gesamtlösung  übernommen hat. Beim Generalunternehmen handelte es sich um den bisherigen Hauptlieferant von MTM-Maschinen.

Projektmethode

Das Projekt wurde besonders wegen der Herausforderung, den laufenden Fertigungsbetrieb so wenig als möglich zu beeinträchtigen, mit der Wasserfall-Methode umgesetzt. Einzelne Projektpartner hatten festgelegte Zeitfenster zur Entwicklung und Realisierung der Teillösungen.

Herausforderung

Da es sich bei der Gesamtlösung nicht um eine vielfach realisierte Standardlösung gehandelt hat, gab es sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Realisierung umfangreiche Anpassungsnotwendigkeiten, die kein Projektpartner einplanen konnte. Diese Mehraufwendungen haben sowohl die Budgets der Lieferanten als auch des Kunden belastet. Zeitpläne wurden regelmäßig verfehlt und Zusatzaufwendungen unter den Projektpartnern neu verhandelt. Für die Gesamtlösung gab es keine Möglichkeit für einen Probebetrieb, da der bestehende Maschinenpark ausgelastet war und die Lösung überwiegend mit bestehenden Maschinen realisiert wurde. Die erste Stufe der Umrüstung erfolgte in den Betriebsferien. Der Anlauf hat nicht wie geplant funktioniert. Unter anderem waren die logistischen Kapazitäten des Paletten-Handling wegen Umplanungen in der Projektphase unpassend bemessen. Die Waschlösungen in den Maschinen genügten nicht den Ansprüchen zum Qualitätsmessen und der darauf basierenden Nachbearbeitungsprozesse. Anstatt des stufenweisen Abrufs von Leistungen war irgendwann allen Projektpartnern klar, dass eine konstante Zusammenarbeit notwendig war. Diese konstante Zusammenarbeit wurde nachträglich in einem interdisziplinären Projektteam realisiert, in dem das für das Projekt notwendige Wissen konstant zur gegenseitigen Abstimmung genutzt werden konnte. In einem weiteren Lösungsanlauf standen bei der Umrüstung alle Projektpartner zur Verfügung und die Gesamtlösung war weit besser vorbereitet als beim ersten Anlauf.

Projektinformationen

Projektdauer: 1,5 Jahre (geplant: 10 Monate)

Projektteam: 20 interne und externe Teammitglieder von 8 externen Projektpartnern

Projektbudget: 18 Mio. €

Fazit

Die Realisierung wurde letztendlich teurer und hat länger gedauert als geplant. Aber das Projektziel wurde vollumfänglich erreicht und war Basis für weitere Optimierungen, wie zum Beispiel dem Ausbau der Fertigbearbeitung im MTM-Bereich oder der Optimierung von Bearbeitungszeiten im gesamten spanenden Bereich. Durch die zusätzliche Fertigungskapazität hat das Unternehmen nicht nur die Fremdvergabequote gesenkt, sondern sich mit der Lohnfertigung für andere Unternehmen ein zusätzliches Geschäftsfeld erschlossen.

Mein Arbeitgeber

Softwarehersteller des CAM-Systems. Im Zuge des Projekts wurden die bestehenden Postprozessoren an die Anforderungen der Gesamtlösung angepasst und zusätzliche Postprozessoren erstellt, geliefert, eingefahren und abgenommen.

Meine Rolle

Ich habe die Anforderungen ermittelt und bei der Lösungsentwicklung beratend mitgewirkt, war Bestandteil des Projektteams und in meinem Teillösungsbereich die Schnittstellen zwischen anderen Projektpartnern und unseren Fachspezialisten und Entwicklern. Aus Sicht meines Arbeitgebers war ich Account- und Projekt-Manager.