Ausgangssituation

Ein global aufgestelltes Unternehmen mit über 77.000 Mitarbeitern und mehreren Unternehmensbereichen sowie Mehrheitsbeteiligungen betreibt ein dezentrales Rohstoff- und Compliance-Management um die regulatorischen Vorgaben für die Handhabung von Konflikt-Mineralien und Recycling  zu erfüllen. Der Großteil der Verwaltung erfolgt in einem PDM-System für Elektronikkomponenten, weil in diesem Bereich eine Vielzahl unterschiedlicher Rohstoffe verbaut werden. Bei Rohstoffen im Elektronikbereich handelt es sich zudem oft um kritische Rohstoffe, bei denen die Gefahr der Verwendung von Konfliktmineralien aus Kriegsgebieten und Gebieten mit bedenklichen Förderbedingungen besteht. Darüber hinaus werden Rohstoffe in diversen PDM-Systemen wie Teamcenter, Windchill und Vault verwaltet. Weitere Rohstoffdaten werden in Form von separaten Datenbanken, Excel-Listen und eMails verwaltet. Jedes Einzelunternehmen beschäftigt sich nach lokalen Vorgaben mit dem Einholen von Bescheinigungen und Rohstofflisten von Lieferanten.

Fragestellung

Die Geschäftsleitung möchte das Risiko im Zusammenhang mit Konfliktmineralien weiter reduzieren, weil Sanktionen bei Zuwiderhandlung wichtige Absatzmärkte blockieren und hohe Strafzahlungen auslösen würden. Ein weiteres Ziel ist die Verwendung recyclingoptimierter Materialien, um die mit der gesetzlichen Recyclingverpflichtungen verbundenen Kosten zu senken. Dafür soll die Vielfalt der verwendeten Materialien deutlich reduziert werden. Bei der Umsetzung sollen Synergien für den Verwaltungsaufwand realisiert werden.

Diese Ziele sind nur mit einer zentralisierten Rohmaterialverwaltung möglich. Bei der Umsetzung stellt sich die Frage, ob Materialdaten aus den bisherigen Systemen über Schnittstellen zusammengeführt werden, oder ob die Entwicklungsabteilungen auf ein einheitliches PDM-System mit zentralem Produktdatenmanagement für alle Unternehmensbereiche zugreifen sollen.

Das Unternehmen hat sich dazu entschieden, ein von den großen Softwarelieferanten unabhängiges Beratungsunternehmen zu beauftragen, so dass Vertriebsaspekte bei der Lösungsentwicklung keine Rolle gespielt haben.

Lösung

Eine zentrale Abteilung für das Gesamtunternehmen soll sich in Zukunft mit dem Einholen von Bescheinigungen und Rohstofflisten von Lieferanten beschäftigen und zur Risikominimierung auch Minderheitsbeteiligungen abdecken. Die Einführung eines einheitlichen PDM-Systems war zwar eine Option, wurde jedoch hauptsächlich aufgrund

  • Entfall von Funktionalität und Nutzungskomfort bei der Nutzung eines Tool-unabhängigen PDM-Systems
  • fehlender Nutzerakzeptanz
  • hoher Investitionskosten
  • hoher Schulungskosten
  • riskante Datenmigration von Alt- und Bestandsdaten
  • tiefgreifende Entscheidung bei Minderheitsbeteiligungen kaum durchsetzbar

verworfen. Bleibt also die Anbindung bisheriger PDM-Systeme an eine zentrale Materialverwaltung. Die Lösung beinhaltet dabei nicht nur die Datenhaltung, sondern auch eine Service-Schnittstelle zum automatisierten Einholen von Lieferantenbescheinigungen. Mineralien müssen nicht mehr manuell an die aktuell gültigen Regulierungen angepasst werden, sondern werden in Form einer Serviceleistung an Siemens ausgelagert. Unternehmensbereiche ohne Materialverwaltung in bestehenden PDM-Systemen arbeiten direkt in der neuen zentralen Materialverwaltung.

Umsetzung

Nach einem Briefing auf Geschäftsleitungsebene habe ich zusammen mit Kollegen das bestehende Datenhandling in den Unternehmensbereichen analysiert. Da die Hauptsitze und Rohstoff-Compliance-Verantwortlichkeiten der Unternehmensbereiche alle in Europa lagen, konnten tiefergehende Strukturen auf anderen Kontinenten ohne größeren Aufwand erfasst werden.

Auf Basis der Anforderungsermittlung haben wir eine Matrix mit einer Auswahl von Standardlösungen erstellt und darin Funktionalitäten, kaufmännische und sonstige kundenspezifische Aspekte visualisiert. Auf Basis dieser Matrik hat sich das Unternehmen für Siemens Teamcenter mit dem Modul IMM (Integrated Materials Management) entschieden.

Aus dem Ist-Zustand haben wir ein Gesamt-Konzept entwickelt und der Geschäftsleitung vorgestellt. Das Konzept hatte folgenden Umfang:

  • Grobkonzept
    • Voraussetzungen
    • Abhängigkeiten
    • Risiken
      • Erkennung
      • Bewertung
    • benötigte Technologien/Lösungen/Module
    • benötigte Skills zur Implementierung
    • Grobkonzept-Review
  • Feinkonzept
    • Strukturierung der Anforderungen
      • Abhängigkeiten
      • Priorisierung
    • Aufgabendefinition (für Ausschreibung relevant)
    • Bewertung der Aufgaben
      • Zeitaufwand
      • Investitionsaufwand
      • benötigte Skills zur Implementierung
      • Definition der Voraussetzungen
    • Definition von Akzeptanzkriterien
    • Definition von Schnittstellen
    • Datenmodell-Konzept
    • Gantt-Chart für zeitliche Projektplanung
    • Budgetplanung
  • IT-Konzept
    • IT-System
      • Hardware
      • Software
      • Konfiguration
    • Schnittstellen
    • Sicherheit

Das Unternehmen hatte die Option auf ein Vendor Management, bei dem wir die gesamte Ausschreibung, die Auswahl, die Projektierung und Lieferantensteuerung übernommen hätten. Das Unternehmen hat dann aber doch seinen Haupt-Implementierungspartner für seine Teamcenter-Landschaft beauftragt.

Projektmethode

Reine Beratung, keine Projektierung und Implementierung.

Herausforderung

Bei der Beratung war die heterogene Unternehmensstruktur aus vollintegrierten Unternehmensbereichen, Mehr- und Minderheitsbeteiligungen mit unterschiedlichen Selbstbestimmungsforderungen eine große Herausforderung. Der Druck in Richtung der bisher genutzten PDM-Lösung war enorm. Auch die heterogene Systemlandschaft mit vielen unterschiedlichen CAD- und PDM-Systemen, gänzlich isolierten Datenbeständen und unterschiedlichen Datenmodellen haben die Lösungsentwicklung anspruchsvoll gestaltet.

Projektinformationen

Projektdauer: 3 Monate

Projektteam: 3 im zeitweisen Einsatz (nur auf Beraterseite)

Projektbudget: 100.000 € (nur Beratung & Konzeptionierung)

Fazit

Die anbieterunabhängige Beratung bot dem Unternehmen den großen Mehrwert, dass die günstigste Lösung mit dem passendsten Leitungsumfang implementiert werden konnte. Das Unternehmen konnte bei der Konzeptionierung noch bis in den späten Verlauf hinein Zusatzanforderungen einbringen. Das Konzept war die Grundlage für eine Ausschreibung, auf der vergleichbare Angebote gegenübergestellt werden konnten.

Mein Arbeitgeber

Softwareanbieter-unabhängiges Beratungsunternehmen für das Product Lifecycle Management und daran angrenzende Themenbereiche. Im Zuge des Projekts wurden Anforderungen ermittelt, die Lösungsauswahl vorbereitet und ein Umsetzungskonzept erstellt.

Meine Rolle

Ich habe an mehreren europäischen Standorten die Anforderungen ermittelt und an der Lösungsentwicklung sowie der Konzepterstellung mitgewirkt. Ich war dabei auch die Schnittstelle zwischen Mitarbeitern des Kunden und den Solution Architekten für die betreffenden Lösungsbausteine.