Hi, herzlich willkommen in dieser Lektion, in der wir uns mit dem Lean Management beschäftigen.
Welche Inhalte werden in dieser Lektion behandelt?
Wir sprechen in den nächsten Minuten über:
- den Unterschied zwischen Projekt- und Prozessmanagement-Methoden,
- die Kernidee und das Ziel des Lean Management,
- die 2 Ansichten des Kunden und des Unternehmens,
- die Ergebnisse, die uns die Methode liefert,
- wir befassen uns auch wieder mit der Entstehungsgeschichte,
- lernen die Gestaltungsansätze und Anwendungsformen kennen,
- wir sprechen über Prinzipien und Methoden,
- und werden uns sehr ausführlich mit den Implementationsbarrieren beschäftigen.
Jetzt aber zum Inhalt dieser Lektion:
Nun also Lean Management. Ganz neu dürfte Dir dieser Begriff aus den letzten Lektionen nicht sein. Besonders in den SAFe-Lektionen haben wir gesehen, dass Bestandteile des Lean Management gut mit agiler Organisation harmonieren.
Wie unterscheidet sich Projektmanagement von Prozessmanagement?
Während wir uns bis zur letzten Lektion mit den Grundlagen von „Projekt“management-Methoden beschäftigt haben, haben wir es beim Lean Management und dem nachfolgenden Six Sigma mit „Prozess“management-Methoden zu tun. Worin liegt also der Unterschied? Ganz einfach: Das Projektmanagement ist in der Regel auf einen absehbaren Zeitraum befristet. Den Zeitraum eines Projekts. Das Prozessmanagement dagegen befasst sich fortlaufend mit den Abläufen im Unternehmen. Soweit zu dieser kleinen aber wichtigen Abgrenzung.
Ich möchte auch diese Lektion so „schlank“ wie möglich halten, da Lean Management vor allem wegen seinen vielen Abwandlungen ein sehr weitläufiges Thema ist und wir hier ja nur die Grundlagen für ein gutes Verständnis agiler Organisation in Großunternehmen schaffen wollen.
Wie lauten die Bereiche der Verschwendung im Lean Management?
Die Kernidee von Lean Management ist, Werte ohne Verschwendung zu schaffen. Die 7 Bereiche der Verschwendung im Lean Management lauten:
- Überproduktion
- Lagerhaltung
- Transport
- Wartezeit
- Unnötige Bewegung
- Prozessübererfüllung
- und Fehler (was Ausschuss oder Nacharbeit verursacht)
Welches Ziel hat Lean Management?
Ziel ist, die bestehenden Arbeitsabläufe ideal aufeinander abzustimmen und überflüssige Tätigkeiten konsequent zu beseitigen. Zur Erreichung dieses Ziels wird der Wertschöpfungsprozess aus 2 Ansichten betrachtet:
- Einmal aus Sicht des Kunden, mit seinem Bedürfnis nach Verfügbarkeit, Individualität, Qualität und Preisgestaltung
- Und aus Sicht des Unternehmens selbst, mit seinem Bedürfnis nach Profitabilität und Wettbewerbsstärke
Welche Ergebnisse liefert das Lean Management?
Ergebnisse sind
- klare Schnittstellenbeschreibungen und Ablaufdefinitionen,
- fest definierte Verantwortlichkeiten,
- ein möglichst frühes Reagieren auf Fehler und Optimierungspotenzial,
- sowie die Einbindung möglichst einfacher Organisationsmethoden,
die zu stabilen Prozessen und damit auch zu qualitativ hochwertigen Produkten führen.
Wie ist Lean Management entstanden?
Das was wir heute Lean „Management“ nennen, ist seit Mitte des 20. Jahrhunderts bei Toyota mit der Bezeichnung Lean „Production“ entstanden. Dabei widmet sich der Ansatz weniger der Ablauforganisation, sondern vielmehr der Verschlankung der Organisation und der konsequenten Einbindung wirtschaftlicher Aspekte. Seitdem Toyota in den 1990ern mit diesen Praktiken ein weltweites Vorbild für Effizienz und Qualität geworden ist, wurde der Begriff in der Unternehmensberatung auf Lean „Management“ erweitert. Die Gestaltungsansätze, Prinzipien und Methoden der Lean Production wurden dabei auch auf die anderen Unternehmensbereiche bis hin zum Top-Management erweitert (man betrachte hier z.B. Lean Administration oder Lean Maintenance) und über spezifische Anwendungsformen auch für andere Branchen nutzbar gemacht.
Wie lauten die Gestaltungsansätze des Lean Management?
Schauen wir uns nun die 10 Gestaltungsansätze des Lean Management an. Sie sind der Startpunkt zur Optimierung, die der Lean Manager konstant betrachtet:
- Kundenorientierung, sprich: Ausrichtung aller Tätigkeiten auf den Kunden
- Die Konzentration auf die eigenen Stärken
- Die Optimierung von Geschäftsprozessen
- Die ständige Verbesserung der Qualität
- Eine interne Kundenorientierung als Unternehmensleitbild
- Eigenverantwortung, die Förderung von Eigenverantwortung und Teamarbeit
- Dezentrale, kundenorientierte Strukturen
- Das gegenseitige Verständnis, dass Mitarbeiterführung ein Service für die Mitarbeiter ist
- Und als echter Kontrast zur traditionellen japanischen Führungsmethode: offene Informations- und Feedbackprozesse
- Und deshalb auch: ein notwendiger Einstellungs- und Kulturwandel im Unternehmen
Diese 10 Gestaltungsansätze im Lean Management sind nicht gänzlich fix. Da das Ausrollen auf das gesamte Unternehmen über eine ganze Reihe von Unternehmensberatungen erfolgt ist, haben sich mehrere verschiedene Listen verbreitet. Die zuvor genannte Liste stammt exemplarisch von Graf-Götz und Glatz, weil sie sich ganz gut am Originalgedanken orientiert.
Welche Anwendungsformen gibt es beim Lean Management?
Je nach Schwerpunkt zur Optimierung im Unternehmen, bietet das Lean Management unterschiedliche Anwendungsformen mit gezielten Inhalten an.
- Das „Lean Thinking“ vermittelt dabei die Grund-Prinzipien des Lean Management. Nicht mehr, dafür ausführlich und umfassend.
- „Lean Leadership“ hat das strategische Ziel, gezielt das Management und die Führungsstrukturen auf das Lean Management auszurichten
- „Lean Development“ konzentriert sich auf die Produktentwicklung und die Forschung
- Der klassische Bereich „Lean Production“ konzentriert sich natürlich nach wie vor auf die Fertigung
- „Lean Construction“ ist eine Erweiterung für die Baubranche, die Bauplanung und Bauausführung
- „Lean HealthCare“ beschäftigt sich mit dem Krankenhausmanagement und dem Gesundheitswesen
- „Lean Supply Chain“ ist eine Erweiterung für die Logistik mit speziellem Blick auf das Wertschöpfungsmanagement. Hier sind Just-in-Time, die Auslagerung von Risiken und Aufwendungen auf die Lieferkette ein großes Thema
- „Lean Administration“ befasst sich mit der Auftragsabwicklung und allen anderen administrativen Prozessen im Unternehmen
- „Lean & Green Management“ beschäftigt sich mit der Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz
- Und last but not least “Lean Laboratory”, eine Erweiterung des Lean Management zur Optimierung von Qualitätskontrollen, Forschungs- und Entwicklungslaboren
Ich möchte auf diese Anwendungsformen hier auf keinen Fall näher eingehen. Wichtig ist meiner Meinung nach zu diesem Zeitpunkt nur zu wissen, dass es all diese Lean Management-Bereiche gibt und diese Liste aufgrund von so vielen Abwandlungen natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat. Die für uns wichtigen Anwendungsformen sind
- natürlich das Lean Thinking – das Grundverständnis des Lean Management
- Lean Leadership
- Lean Development
- Lean Production
- vielleicht auch ein Teil der Lean Administration und Lean Laboratory.
Wie lauten die Prinzipien des Lean Management?
Wir haben vorhin gesehen, mit welchen Gestaltungsansätzen ein Startpunkt für die Optimierung gefunden werden kann. Die 5 Prinzipien des Lean Management geben uns Leitlinien für die Überprüfung dieser Punkte an die Hand:
- Den Wert aus Sicht des Kunden zu definieren, was beinhaltet, dass genau geprüft wird, was produziert wird und ob das Ergebnis den Erwartungen des Kunden entspricht. Der Kunde soll immer
- zur richtigen Zeit,
- am für ihn richtigen Ort,
- ein auf sein Bedürfnis zugeschnittenes Produkt
- mit der von ihm erwarteten Qualität
- zu dem von ihm angemessenen Preis bekommen.
- Dem Unternehmen muss immer der exakte Wertstrom bekannt sein, in dem alle aktuellen Prozesse detailliert betrachtet, aufgenommen und beschrieben sind. Der Wertstrom umfasst dabei klassisch jegliche Aktivitäten vom Rohmaterial bis zum Kunden. In den letzten Jahren wurde die Bandbreite sogar bis auf den Service nach dem Kauf und das Recycling sowie auf regulatorische Themen und Rohstoff-Compliance vor dem Rohstofferwerb erweitert. Nur wenn der Wertstrom im Unternehmen bekannt und aktuell ist, besteht die Grundlage zur Optimierung der wertschöpfenden Prozesse. Deshalb ist die Wertstromanalyse im Lean Management ein so geläufiger Begriff – und hoffentlich auch eine geläufige Tätigkeit. Na ja, die Hoffnung stirbt zuletzt …
- Ich kenne Großunternehmen, die sich das Lean Management sogar soweit auf die Fahne geschrieben haben, dass der Slogan unter jedem Logo sichtbar ist. Aber die konsequente Umsetzung kostet Geld und benötigt wertvolle Personalkapazität. Und damit … sieht es schlecht aus … und damit wird auch das Optimierungspotenzial nicht konstant ausgenutzt. Deutlicher ausgedrückt: die Abläufe veralten trotz des tollen Slogans. Gehen wir ganz schnell zum nächsten Punkt über.
- Die wichtigste Aufgabe ist jedoch die Umsetzung des Fluss-Prinzips, in dem alle betrieblichen Abläufe ohne Unterbrechung ineinander über gehen. Dabei werden sowohl Wartesituationen als auch übermäßige Lagerung beseitigt. Möglich ist das nur, wenn man mit möglichst kleinen Losgrößen auftragsbezogen hantiert und die Herstellung damit automatisch auch flexibler wird.
- Bei der klassischen Herstellung von Produkten und Leistungen wird nach dem Push-Prinzip gearbeitet. Dabei begrenzt die maximale Kapazität einer Maschine, einer Anlage oder auch von Arbeitskraft das zu liefernde Volumen. Lean Management strukturiert die Organisation nach dem Pull-Prinzip um. Jegliche Planung geht dabei vom Kunden aus, der eine Lieferung oder Leistung erwartet. Und diese Erwartung setzt sich nun durch den ganzen Wertschöpfungsprozess bis an den Anfang fort. Jeder Mitarbeiter holt sich seine Arbeit dann, wenn er von der Lieferrichtung aus dazu angestoßen wird. Er holt sich nur das, was er braucht und fordert die dafür notwendigen Grundlagen damit bei seinen vorhergehenden Herstellungsstufen an. Mit diesem Ansatz ist auch ohne unregelmäßige Überstundenforderung eine 100%ige Liefertreue machbar – denn: unregelmäßige Überstunden kosten Geld und frustrieren die Mitarbeiter. Ganz nebenbei reduziert sich mit diesem Prinzip die Lagerhaltung und der Herstellungsprozess wird auftragsbezogen nur so stark besetzt, wie notwendig. Das ist schlank, das ist Lean. Vielleicht kommt Dir das Pull-Prinzip auch aus Scrum bekannt vor, dann z.B., wenn Vorgänge in den Sprint gezogen werden? Auch hier verbinden sich wieder Lean Management und Agilität, und ergeben so eine ziemlich runde Sache.
- Das letzte Prinzip ist, Perfektion anzustreben. Der Lean Gedanke geht dabei davon aus, dass Perfektion nie erreicht, aber angestrebt werden kann. Stillstand bedeutet Rückschritt. Da sich die Rahmenbedingungen konstant verändern und sich mit dem immerwährenden Wandel gerne schlechte und bequeme Angewohnheiten einschleichen, ist es beim Lean Management wichtig, konstant alles zu hinterfragen. Dieser sogenannte „Kontinuierliche Verbesserungsprozess“ (auch KVP oder Kaizen genannt) fordert diese Denkweise von jedem Mitarbeiter und erwartet deshalb auch regelmäßige Verbesserungsvorschläge und Ideen.
Welche Methoden werden beim Lean Management verwendet?
Nachdem wir nun die Prinzipien zur Bewertung der Ansatzpunkte kennengelernt haben, brauchen wir eigentlich nur noch Werkzeuge, die uns bei der Zielerreichung im Gesamtsystem eines Unternehmens unterstützen – die Methoden des Lean Management:
- Zum einen wäre das die bereits angesprochene Wertstromanalyse. Sie ist die Kernmethode, auf deren Ergebnis alles andere aufbaut. Ohne Wissen um den Wertstrom gibt es für Optimierungen keinen Ansatzpunkt. Ganz einfach. Die Wertstromanalyse bildet den Ist-Zustand ab.
- Die Methoden zur Erreichung des Soll-Zustands sind im Lean Management flexibel. Dazu könnte auch Kanban gehören. Wie das Ziel erreicht wird, ist jedoch höchst individuell – deshalb auch keine Festlegung, welche Organisationsmethoden dazu verwendet werden. Auf diese Weise schränkt sich das Lean Management auch nicht selbst ein, sondern gibt nur einen Rahmen vor, der von sehr vielen Unternehmen ohne Konflikte mit bestehender Organisationsstruktur genutzt werden kann.
- Kennzahlensysteme informieren beim Lean Management nicht nur die Führungskräfte, sondern jeden einzelnen Mitarbeiter und geben so auch einen Hinweis auf notwendige Anpassungen im Arbeitsablauf. Damit sind diese Werkzeuge ein wichtiger Bestandteil zur Förderung der Selbstverantwortung.
- Und dann natürlich ein Mittel, ohne das alle Ziele unerreichbar bleiben: Ohne Einbeziehung der Mitarbeiter verändert sich der Geist im Unternehmen nicht. Ohne Sinneswandel keine Zielerreichung. Die Einbeziehung umfasst dabei auch die frühe Einbindung in die Konzeption und Umsetzung von Maßnahmen sowie die Sensibilisierung für Fehler und Verschwendung. Erst durch die frühe Einbindung von Mitarbeitern wird auch deren Wissen eingebracht – ein Umstand, der im klassischen japanischen Organisationsmodell gänzlich ungenutzt blieb.
Vielleicht wird Dir langsam bewusst, wie sehr Toyota die japanische Kultur und auch die Effizienz weltweit positiv beeinflusst hat.
Welche Implementationsbarrieren gibt es beim Lean Management?
Ich habe schon ein wenig durchblicken lassen, dass es beim Lean Management auch sogenannte Implementationsbarrieren gibt – sprich: Das Management entscheidet sich zu dieser Art der Unternehmensoptimierung, aber außer Worten bleibt nicht viel übrig. Woran könnte das nun liegen?
- Es ist sehr schwer, traditionelle Denk- und Arbeitsstrukturen zu verändern. Wenn wir ganz ehrlich zu uns selbst sind, dann wissen wir, dass der Mensch träge und bequem ist. Egal in welcher Hierarchiestufe. Und so kommt es auch, dass noch nicht einmal das Top-Management, das sich für die Umsetzung entschieden hat und ein entsprechendes Ziel hat, sich an die Prinzipien und Methoden hält. Lean Management erfordert Veränderungsbereitschaft und Lernfähigkeit. Ein geflügelter Satz lautet, dass Erfolg Lernfähigkeit vernichtet. Oder, dass Lernfähigkeit proportional zum Erfolg abnimmt. Ganz ohne sind diese Aussagen aufgrund des häufigen Zutreffens nicht. Mit etwas Selbstreflektion kann ich mich dabei an der eigenen Nase fassen. Wie geht es Dir dabei? Offenheit zur Selbsteinsicht ist das Fundament zur Weiterentwicklung – und Zielerreichung.
- Typischerweise lässt sich das Top-Management von der Einführung des Lean Management überzeugen und wird dafür umfassend über alle Aspekte informiert. Der nächste Schritt ist die Einbeziehung der nächsten untergeordneten Hierarchie, die mit der Umsetzung beauftragt wird – und die erhalten in der Regel die dafür notwendige Schulung. Oft nur einmalig. Ab dieser Ebene wird die Information in mehreren Stufen mündlich weitergegeben, jeweils von Personen, deren Hauptarbeitsgebiet ganz andere Themen umfasst. Und so kommt es, dass die Lean Management Informationen auf ihrem Weg nach unten immer weiter verblassen oder sich sogar aufgrund persönlicher Ziele gänzlich verändern. Was kommt nun bei der operativen Arbeitskraft an? (Durchatmen) – wenig bis nichts. Und genau das ist auch das Hemmnis für den Erfolg: Mangelnde professionelle Schulung für jeden einzelnen Mitarbeiter. Das Training und die Begleitung durch Profis wären die Lösung – zumindest so lange, bis das System von selbst fliegt. Und nein, ich will hier nichts verkaufen. Das ist so leider immer wieder offensichtlich.
- Und dann wäre da die mangelnde Unterstützung durch das Management. Was tun, wenn einige Mitarbeiter einfach nicht mitziehen, sich verweigern? Was tun, wenn durch notwendige Maßnahmen Interessen von Mitarbeitern zerstört werden? Da gibt es viele durchaus valide Gegeninteressen. Und trotzdem bzw. mit einer geeigneten Lösungsfindung muss das Projektziel erreicht werden. Dazu bedarf es der disziplinarischen, zeitlichen und finanziellen Unterstützung des Managements. Wenn die sich aber nach Projektstart nicht mehr mit dem Thema verbunden fühlen und alles abblocken, dann geht das Projekt fast zwangsweise den Bach runter.
- Nun ist es so, dass das Top-Management meistens fest hinter Lean-Projekten steht, da die finanzrelevant sind und das Top-Management seinen Schwerpunkt überwiegend auf den Finanzbereich legt. Auch weil das Top-Management selbst durch die Gesellschafter bzw. Aktionäre finanzgesteuert ist. Fast durchgängig ergibt sich die Herausforderung durch Blocker jedoch im mittleren Management. In der Breite und Tiefe des mittleren Managements in Großunternehmen gibt es immer Mitarbeiter, die ihre eigenen Interessen und Vorlieben haben – und diese auch konsequent verteidigen, wenn sie durch ein Projekt in Gefahr sind. Im besten Fall hat dies soziale Ursachen, z.B. dem vermeintlichen Schutz der untergebenen Mitarbeiter vor Veränderungen. Um diese vorhersehbaren Blocker zur Zusammenarbeit zu bewegen und auch das notwendige Fachwissen zu nutzen, erhalten diese Mitarbeiter in Projekten oft führende und entscheidende Rollen. Beste Bedingungen also, um ein Projekt von Anfang an zum Scheitern zu bringen. Die verweigern sich dann solange der Zusammenarbeit, bis das Projekt stillsteht. Mit der Aussage an die vermeintlich zu schützenden Mitarbeiter, dass er in der Position ist, alles zu vermeiden, was gegen ihre Interessen verstößt. Sozial gemeint, aber in der mittel- und langfristigen Wirkung des Stillstands fatal. Für das Unternehmen als Ganzes, aber auch für die vermeintlich geschützten Mitarbeiter.
- Großunternehmen neigen für die Absicherung von Prozessen zur Definition von Leitlinien, an die sich Mitarbeiter zu halten haben. So auch bei der Gestaltung von Projekten. Dabei sind diese Schablonen in keiner Weise in der Lage, den zu erreichenden Kundennutzen in den Mittelpunkt zu stellen, da der in jedem Projekt unterschiedlich ist. Arbeitsrichtlinien sind in der Regel immer unternehmenszentriert oder sogar auf die Interessen des Managements zugeschnitten. Damit ist auch klar, dass eine schablonenhafte Konzeptgestaltung in Form von Richtlinien dem Ziel des Lean Management widerspricht.
- In der Projektphase ist es nicht unüblich, dass Budget- und Zeitvorgaben aufgrund unvorhersehbarerer Hindernisse und Herausforderungen nicht eingehalten werden. Dass der Druck in der Endphase ansteigt ist normal. Normal ist allerdings auch, dass dann bei der Einführung so sehr auf die Tube gedrückt wird, dass die Mitarbeiter nicht mehr mitgenommen werden können und sich deshalb Fehler häufen, das Projektziel als Ganzes in Frage gestellt oder erst gar nicht von den Mitarbeitern angenommen wird – die alten Prozesse und Werkzeuge weiterverwendet werden. In Großunternehmen können wir glücklich sein, wenn wir 20% der Projekte so erfolgreich zum Abschluss bringen, dass die in der Folge auch operativ genutzt werden. Erschreckend, oder? Deshalb sprechen wir das hier auch so offen an – um eine Lehre daraus zu ziehen. Es besser zu machen und bei den hier genannten Hemmnissen rechtzeitig einzugreifen.
- Großunternehmen sind üblicherweise streng hierarchisch organisiert, mit vielen Hierarchieebenen, den damit verbundenen Vergünstigungen und Verantwortungen. Da gilt ein ganz strenges Top-Down-Prinzip: von oben wird angesagt, von unten wird erledigt. Wie passt das nun in die Teamarbeit, bei der Vertreter unterschiedlicher Hierarchien zusammenarbeiten sollen, jeder seine Aufgaben und Lieferverpflichtungen hat? Was tun, wenn ein höherrangiges Teammitglied sich schlicht weigert seine Aufgaben zu erledigen, deren Ergebnisse aber Basis für die Zusammenarbeit sind? Und das kommt öfter vor als Du denkst, auch weil Führungskräfte das Delegieren gelernt, und das Erledigen verlernt haben. Was tun? In einer höheren Hierarchieebene anschwärzen? – No-Go. Offen kritisieren? Bringt nichts, oder führt in Großunternehmen zur eigenen Demontage. Schweigen? Hat nichts mit Teamarbeit zu tun und das Projekt geht den Bach runter. Ja, in der Tat keine einfache Antwort. Aber das ist der Erfolgsfaktor im Projekt: dieses Hemmnis muss gelöst werden. Ich wünsche Dir viel Spaß dabei, im Projekt.
- Ähnlich verhält es sich mit Rollenproblemen von Führungskräften: was tun, wenn im Team die Aufforderung zur Leistungserbringung plötzlich vom sonst untergebenen Mitarbeiter kommt? Welch eine Dreistigkeit, Unverschämtheit, mich auf diese Weise anzusprechen. Was fängst Du als Teammitglied mit einer barschen Zurückweisung an, auf die Art: mach es selbst? Oder die sonst untergebenen Teammitglieder trauen sich erst gar nicht etwas einzufordern. Durchsetzungsstärke im Team hängt ja auch ein ganzes Stück vom Charakter der Teammitglieder und dem Teamzusammenhalt ab. Das Ganze birgt erhebliches Konflikt- und Frustpotenzial. Zur Teamarbeit muss ein Teammitglied teamfähig sein. Team, Team, Team – das sind keine leeren Worthülsen. Da helfen alle Erfahrung und Kompetenz nichts, wenn diese Voraussetzung nicht gegeben ist. Ein Teammitglied ohne Teamkompetenz ist absolut nutzlos – eignet sich höchstens als gelegentliche Informationsquelle, außerhalb des Teams. Im Team zerstören solche Charaktere das gesamte Team und auch das Projekt. Auch dieses Hemmnis ist eine erfolgsrelevante Herausforderung.
- Wir könnten diese Liste je nach Erfahrung weiter verlängern. Ohne näher darauf eingehen zu wollen, sind das natürlich auch Punkte wie ein beschränktes Verständnis für Prozessdenken bei Teammitgliedern, fehlende Kundennähe oder ein falsches Qualitätsverständnis, bei dem entweder zu viel oder zu wenig Aufwand in die Qualitätssicherung investiert wird.
Das Lean Management greift als bisher erste der angesprochenen Methoden und Frameworks Implementationsbarrieren auf. Das mag daran liegen, dass das Lean Management eine klassische Top-Management-Strategie ist und damit auch die Hemmnisse zur Umsetzung klar benannt werden. Denn genau darauf muss das Management Lösungen finden und sich entsprechend vorbereiten. Bei reinen Projektmanagement-Methoden geht es eher um die organisatorische Umsetzung. Disziplinarische Herausforderungen und Psychologie werden dabei in der Regel nicht thematisiert. Punkte, die ich vor allem im letzten Kurs dieser Kursreihe noch ergänzen werde. Die im Lean Management beschriebenen Hemmnisse gelten natürlich gleichwertig für alle Projekte.
Wie passt das Lean Management zur Agilität?
Wenn ich selbst aus dieser Lektion ein Fazit ziehe, dann ist es die Erkenntnis, dass Lean Thinking sich
- in den agilen Projektmethoden fest etabliert hat, und
- wirklich sehr gut zur Agilität passt, und
- dieselben Anforderungen an einen modernen Mitarbeiter stellt, wie es die agilen Projektmethoden tun.
Kein Wunder also, dass die Konzepte und Ziele so gut miteinander harmonieren und damit auch praktisch gut miteinander handhabbar sind.
Fassen wir nun zusammen, was wir in dieser Lektion behandelt haben:
- wir kennen nun den Unterschied zwischen Projekt- und Prozessmanagement,
- haben die Kernidee und das Ziel des Lean Management erkannt,
- wissen um die 2 unterschiedlichen Ansichten des Kunden und des Unternehmens Bescheid,
- wir haben die Ergebnisse besprochen, die uns das Lean Management bringt,
- zudem haben wir etwas über die Entstehungsgeschichte erfahren,
- wir haben die Gestaltungsansätze und Anwendungsformen kennengelernt,
- genauso wie die Prinzipien und Methoden,
- und wir haben uns intensiv mit den zu meisternden Implementationsbarrieren auseinandergesetzt.
In der übernächsten Lektion behandeln wir mit Six Sigma eine weitere Prozessmanagement-Methode. Doch zuvor gibt es für Dich wieder eine kleine Überraschung: Die folgende Lektion beinhaltet ein kurzes Quiz, bei dem Du für Dich selbst prüfen kannst, welche Inhalte aus dieser Lektion bei Dir hängengeblieben sind. Ich wünsche Dir dabei viel Spaß, wir sehen uns in der übernächsten Lektion wieder!